Mindfulness @work
Danny Fiebig • 24. Juni 2020
Ist Achtsamkeit am Arbeitsplatz möglich?
Und wenn ja – was bringt das?
Achtsamkeit und Arbeitsplatz – das scheint für viele von uns ein Gegensatz zu sein, wie er größer nicht sein könnte.
Mit Achtsamkeit assoziieren wir häufig einen paradiesischen Zustand von Frieden, Ruhe, Stille, Entspannung.
Die Realität unserer heutigen Arbeitswelt sieht dagegen oft anders aus: Schnelllebigkeit, Zwänge, zunehmende Komplexität und Konflikte scheinen zu wachsendem Stress zu führen.
Weit und breit keine Relaxmusik, Palmen und Cocktails mit Schirmchen.
Wie sollen Achtsamkeit und Arbeitswelt also zusammenpassen?
Nun, viele von uns haben bereits einmal die Erfahrung gemacht, dass Momente eines tiefen inneren Friedens nicht so sehr von den äußeren Umständen abhängen.
„Is there a difference between happiness and inner peace?
Yes. Happiness depends on conditions being perceived as positive; inner peace does not.”
Mit Achtsamkeit können wir uns mehr und mehr von den Fesseln unseres ruhelosen „monkey mind“ frei machen und einen Bewusstseinszustand einüben, in dem innerer Frieden auch inmitten der Betriebsamkeit des Arbeitslebens da ist.
Wir müssen dann nicht mehr unbedingt immer in unserem Gedankenkarusell mitfahren, sondern können hin und wieder aussteigen, ganz in den Augenblick eintauchen, und nur da sein.
Klingt nicht schlecht, oder? Aber was soll das eigentlich genau sein, Achtsamkeit?
Eine kleine Achtsamkeitsübung
Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen – wir legen sofort los:
Nachdem Sie diesen Absatz fertiggelesen haben, hören Sie bitte mal für einen kurzen Moment auf zu lesen, atmen Sie einmal durch und richten Sie den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit auf Ihren inneren Körper.
Wenn Sie jetzt denken „Ah, ja, mein innerer Körper, mmh, mmh, und was kommt dann?“, dann machen Sie genau das: Sie denken.
Das sind Gedanken, die brauchen wir jetzt bei unserer kleinen Achtsamkeitsübung nicht unbedingt.
Also nochmal: Einmal durchatmen und den Fokus der Aufmerksamkeit auf den inneren Körper richten. „Innerer Körper, was soll das eigentlich sein?“ mag der eine oder die andere jetzt denken – ja, da wären wir wieder bei einem Gedanken.
Den brauchen wir jetzt gerade nicht.
(Außer vielleicht es ist gerade Winter und Sie sitzen bei Minusgraden unbekleidet auf der Terrasse, dann sollten Sie diesen Gedanken eventuell doch beachten und wieder ins Haus gehen.)
Also nochmal. Einatmen, ausatmen, den Fokus der Aufmerksamkeit auf den inneren Körper richten. Auf das Gefühl der Lebendigkeit in uns.
Spüren, wo unser Körper berührt wird, vom Stuhl, vom Boden. Die Geräusche um uns herum wahrnehmen.
Einfach nur ganz bewusst sein, ohne etwas dazuzufügen.
Jetzt, in diesem Augenblick.
Total simpel – und doch nicht ganz so einfach
Das ist wohltuend, oder?
Jetzt kommt vielleicht folgender Einwand: „Ja das ist natürlich schon wohltuend, wenn ich hier nur herumsitze und nichts mache, aber ich habe ja am Arbeitsplatz einen Haufen Zeug zu erledigen, ich weiß gar nicht was ich zuerst machen soll, da kann ich es mir nicht leisten, einfach nur herumzusitzen und zu atmen!“
Völlig richtig. Sollen Sie auch nicht.
Glauben Sie mir, auch ich arbeite, wenn ich arbeite und sitze nicht bloß herum und atme.
Es geht nicht um das Atmen, oder den inneren Körper, sondern es geht darum, mit unserem Bewusstseinsfokus ganz bei dem zu sein, was wir jetzt in diesem Augenblick machen.
Egal was es ist.
Ein (r)evolutionär anderer Bewusstseinszustand
Es geht darum, mit welchem Bewusstseinszustand wir unsere Arbeit verrichten.
Die ganze Qualität unserer Arbeit verändert sich, wenn wir sie achtsam tun. Wenn wir achtsam im Augenblick sind, dann leben wir, auch während der Arbeit.
Und verschieben unser Leben nicht auf einen späteren Zeitpunkt, der aber irgendwie niemals einzutreten scheint
Stress ist ein Bewusstseinszustand
Jetzt in diesem Augenblick nur dieses eine Telefonat.
Den Hörer abnehmen, die Nummer wählen, sprechen.
Wenn wir mit unserem Bewusstseinsfokus nicht ganz beim Abnehmen des Hörers sind, dann sind wir vermutlich in Gedanken verloren.
„Meine Güte, jetzt muss ich noch den XY anrufen, der wird jetzt sicher wieder ewig reden und ich muss doch auch noch den YZ anrufen und um 15.00 Uhr ist schon der Termin und ich habe die Unterlagen noch nicht vorbereitet…“.
Und schon ist da jede Menge Stress.
Achtsame Präsenz einüben – aber wie?
Achtsamkeit will geübt werden. Die gute Nachricht: Wir müssen dafür in unserem Kalender keine Zeit freischaufeln.
Achtsamkeit geht immer nur JETZT.
Wir üben Achtsamkeit, erst selten und für ganz kurze Augenblicke, dann häufiger. Bis vielleicht eines Tages eine ganz wache und offene Präsenz im gegenwärtigen Augenblick zu unserem Normalzustand wird.
„Oh je, das kann ja ewig dauern, ich weiß gar nicht ob das überhaupt zu schaffen ist...“.
Wieder ein Gedanke. Einfach weiterziehen lassen und jetzt ganz da sein. In diesem einen Augenblick.
Um Achtsamkeit einzuüben eignen sich für den Anfang besonders die einfachen, wiederkehrenden Tätigkeiten, während der keine großartigen Anforderungen von außen an uns herantreten.
Wie zum Beispiel Treppensteigen (oder mit dem Aufzug fahren), Kopieren, auf die Toilette gehen, etc.
Aber wieso ausgerechnet im Arbeitsleben?
Wäre es nicht viel einfacher, Achtsamkeit in Stille und Abgeschiedenheit zu üben als inmitten der Betriebsamkeit unseres Berufslebens?
Ja, durchaus. Das kann man natürlich hin und wieder auch machen.
Aber letztlich ist Achtsamkeitspraxis kein Weg, der in einen Rückzug von der Welt führt, sondern dieser Weg führt mitten ins Leben.
Achtsamkeitspraxis funktioniert dann, wenn sie uns besser befähigt, mitten im Alltag gleichsam wie „im Auge des Sturms“ in unserer Mitte verwurzelt zu sein.
Und wie geht’s jetzt weiter?
Jetzt einfach kurz in den Augenblick spüren.
Und später am heutigen Tag vielleicht nochmal, ganz unvermittelt? Oder morgen? Wer weiß…
Ihnen alles Gute und einen schönen (Arbeits-)tag!